26.07.2021 - Natur erleben im Nationalpark Kellerwald-Edersee

Von Kolkrabe, Mittelspecht und Fledermäusen – unterwegs im Mehler Holz

Von Wolfgang Lübcke
Mehlen. Ein heißer Juli-Tag lockt uns in den kühlen Wald des Nationalparks-Kellerwald-Edersee. Wir entscheiden uns für die 6,3 Kilometer lange Mehler-Holz-Route. Ausgangspunkt ist der Parkplatz an der Dinkelsburg, hoch über Mehlen. Von der Schutzhütte aus genießen wir zunächst den weiten Blick ins Edertal.

Die großen Ohren des Braunen Langohrs spielen eine ganz besondere Rolle bei der Ortung seiner Beute. (Foto: Dieter Bark)

Der Wald des Mehler Holz weist viele Moospolster und -teppiche auf. (Foto: Wolfgang Lübcke)

Der Mittelspecht wird auch als Eichenspecht bezeichnet, er nutzt aber auch alte Buchen mit rauer Rinde. (Foto: Dieter Bark)

Windwurfflächen sind für den Neuntöter Lebensraum auf Zeit. (Foto: Wolfgang Lübcke)

Die etwa zweistündige Wanderung folgt dem Fledermaus-Symbol. Zunächst führt sie am Fuß des Rabensteins entlang, einem kegelförmigen Berg oberhalb des Stausees von Affoldern. Der Rabenstein verdankt seine Namen sicherlich dem historischen Vorkommen von Kolkraben. Wie zur Bestätigung beobachten wir schon nach wenigen Schritten zwei der fast bussard-großen Vögel und hören ihre charakteristischen Rufe, die ein wenig an Hundegebell erinnern. Kolkraben waren in Waldeck-Frankenberg ausgestorben. Der letzte Brutnachweis erfolgte 1910 bei Haina. Der erste gesicherte neuere Brutnachweis gelang 1989 im damaligen Waldschutzgebiet Edersee, dem jetzigen Nationalpark. Der Weg führt zunächst am Waldrand vorbei, mit Blick in eine heckenreiche Kulturlandschaft. Dort freuen wir uns über eine der artenreichen Blühflächen, die der Mehlener Jagdpächter angelegt hat. Am Wegrand blühen zahlreiche Heidenelken. Der im Mehler Holz besonders wertvolle Bereich des Rabensteins war bereits 1991 als Naturschutzgebiet ausgewiesen worden, ehe er 2004 Teil des Nationalparks wurde. Hier schauen wir auf interessante Waldbilder mit vielen Eichen, die auf dem flachen Schieferboden ein natürliches Vorkommen haben. Auffällig sind hier die vielen Moospolster. Die alten Eichen sind Lebensraum des Mittelspechts, ein naher Verwandet des häufigen Buntspechts. Der Mittelspecht gewinnt seine Insektennahrung aber nicht wie dieser durch Hacken an Bäumen, sondern durch Absuchen der rauen Eichenrinde. Die Spechtkartierung von Matthias Schlote (Bringhausen) hat im Jahr 2020 gleich vier Mittelspecht-Reviere im Mehler Holz ergeben, bei insgesamt 23 Reviere im gesamten bisherigen Nationalparkgebiet eine beachtliche Zahl.
Auch Schwarzspecht, Grünspecht und Kleinspecht wurden hier nachgewiesen. Wir treffen einen Nationalpark-Ranger. Er erzählt uns, dass das Fledermaus-Symbol, mit dem unsere Wanderroute gekennzeichnet ist, nicht zufällig gewählt wurde, denn im Mehler Holz leben viele Fledermäuse, zum Beispiel Fransenfledermaus, Rauhautfledermaus, Großes Mausohr und Braunes Langohr. Die Fledermäuse finden Unterschlupf in Baumhöhlen, aber auch unter der abblätternden Rinde abgestorbener Bäume. Durch intensive Forschung konnten im gesamten Nationalpark 18 Fledermausarten nachgewiesen werden. Das sind rund drei Viertel aller in Deutschland vorkommenden Arten. An einer Weggabelung entscheiden wir uns für den rechten oberen Weg, denn auf der Info-Tafel an der Dinkelsburg wird empfohlen, entgegen dem Uhrzeigersinn zu laufen. Bald kommen wir an einer Fläche vorbei, wo schon früher Stürme etliche Bäume umgeworfen haben und die Nationalparkverwaltung zudem 2006 und 2015 gebietsuntypische Douglasien entfernen ließ.
Hier können wir ein schön gefärbtes Neuntöter-Männchen mit Futter für seine Jungen beobachten, eine Vogelart, die eigentlich in Agrarlandschaften mit Wiesen und Hecken anzutreffen ist. Das fortschreitende Gehölzaufkommen der Windwurffläche bietet dem Neuntöter einen Lebensraum auf Zeit, bis die Pioniergehölze wie Hirschholunder, Eberesche und auch einzelne Hecken durch Bäume abgelöst werden. Nachdem wir am Waldrand bei Kleinern wieder auf den Rückweg begeben haben, wählen wir an einer weiteren Weggabelung die linke Möglichkeit, denn die rechte führt ein längeres Stück durch die Feldflur zurück zum Parkplatz. Bei der Hitze wollen wir aber im Wald bleiben. Der ehemalige Forstweg verengt sich nun stellenweise zu einem Pfad und wir achten auch hier im östlichen Randbereich des Nationalparks auf die beginnende Wildnisentwicklung.

Literaturempfehlungen:
Markus Dietz und Olaf Simon (2008): Fledermäuse im Nationalpark Kellerwald-Edersee. Forschungsberichte des Nationalparks Kellerwald-Edersee, Band 1
Matthias Schlote (2021): Ergebnisse der Spechtkartierung 2020 im Nationalpark Kellerwald-Edersee im Vergleich zu Kartierungen in den Jahren 2004 und 2018. Vogelkundliche Hefte Edertal 47, S. 13-31

(Startseitenfoto: Alexas Fotos auf Pixabay)