Von Wolfgang Lübcke
Edertal. Heute heißt es zeitig aufstehen, denn wir wollen an einer Aktion zur wissenschaftlichen Vogelberingung des Biologen Michael Wimbauer teilnehmen und die beginnt bereits um 6 Uhr. Zusammen mit seinem Helfer Christian Gaulke (beide aus Bad Wildungen) ist er bereits vor Ort und hat schon im Gebüsch und Röhricht der ehemaligen Kiesbaggerteiche zwischen Mehlen und Giflitz seine Netze fängisch gestellt.
Jetzt im August beginnt der herbstliche Vogelzug und wir sind gespannt darauf, wie viele Vögel sich verfangen haben. Immerhin beträgt die Länge der in Schneisen aufgestellten Netze über 400 Meter. Deren erste Kontrolle ist mit nur sieben Vögeln etwas enttäuschend. Offensichtlich gab es in der letzten Nacht keinen nennenswerten Vogelzug, erklärt Michael Wimbauer. Zudem habe das nasskalte Wetter in diesem Frühjahr sich ungünstig auf den Bruterfolg der Kleinvögel ausgewirkt. Rasch sind die wenigen Vögel mit Ringen der Vogelwarte Helgoland markiert, Alter und Geschlecht bestimmt, sowie Gewicht und Flügelmaße notiert. So bleibt Zeit für ein Gespräch.
Lehrgang auf der Insel Helgoland
Wie wird man eigentlich Beringer? Da muss man erst einmal zwei Jahre bei einem erfahrenen Beringer in die Lehre gehen und bei dessen Arbeit helfen. Dann muss man einen einwöchigen Lehrgang auf Helgoland absolvieren, um die nötige Sachkunde zu erwerben. Erst dann erhält man die amtliche Beringungserlaubnis. Außer Michael Wimbauer gibt es im Kreis Waldeck-Frankenberg nur noch drei weitere Beringer. Das ehemalige Kiesgrubengebiet im Edertal weist viele unterschiedliche Strukturen und Lebensräume auf, deshalb sind hier insbesondere während des Zuges im Frühjahr und Herbst viele Vogelarten in teils beachtlichen Zahlen anzutreffen. Deshalb hat Wimbauer für seine Forschung dieses Gebiet ausgewählt. Daneben beringt er kreisweit die an Bächen lebenden Wasseramseln und Zwergschnepfen in ihren Rastgebieten.
An ausgewählten Vogelfütterungen, unter anderem im Freilandlabor des NABU Edertal bei Bergheim, beringt er die Wintergäste, um deren Verhalten zu untersuchen. Die ersten wissenschaftlichen Beringungen hat 1899 der dänische Lehrer Mortensen durchgeführt. Seitdem ist weltweit mit Hilfe dieser Methode viel über das Leben der Vögel erforscht worden. Aber es gibt immer wieder neue Fragestellungen, sagt Wimbauer. So verschieben sich zum Beispiel durch den Klimawandel die Zugzeiten; Zugrouten und Überwinterungsgebiete ändern sich. Während zum Beispiel der Kranichzug am Herbsthimmel alljährlich ein auffälliges Ereignis ist, verläuft der Zug von Kleinvögel oft sehr heimlich, insbesondere, wenn sie nachts ziehen und tagsüber versteckt im Gebüsch rasten. Nur die Beringung gibt über das Zuggeschehen beispielsweise von Rohrsängern oder Grasmücken Aufschluss.
Bemerkenswerte Funde: Im Edertal beringt – in Afrika nachgewiesen
Gefragt nach besonders interessanten Ringfunden, muss Michael Wimbauer erst einmal nachdenken, denn in fast zehnjähriger Beringertätigkeit hat er viele bemerkenswerte Ringfunde erhalten. Zum Beispiel wurde ein Teichrohrsänger, den er bei Mehlen beringt hat, zwei Tage später in Belgien kontrolliert, 295 Kilometer entfernt, für den 13 Zentimeter kleinen Schilfbewohner eine beachtliche Leistung. Ringfunde in anderen Ländern markierter Vögel hat er inzwischen öfters bekommen, zum Beispiel eine Mönchsgrasmücke aus Norwegen oder Blaumeisen aus Litauen und Russland. Der weiteste Vogel, der im Edertal beringt wurde, war ein Zilpzalp, der rund 2000 Kilometer entfernt auf der afrikanischen Seite von Gibraltar nachgewiesen wurde.
Gegen 14 Uhr geht die Beringungsaktion zu Ende. Nach zögerlichem Anfang kann sich das Ergebnis nun doch sehen lassen: Insgesamt 92 Vögel aus 17 verschiedenen Arten! Spitzenreiter ist der kleine olivgrüne Zilpzalp mit 25 Exemplaren, gefolgt von 14 Rauchschwalben, die bei niedriger Insektenjagd am Rand eines Gewässers ins Netz gegangen sind. Besonders freuen sich Michael Wimbauer und Christian Gaulke über gleich drei diesjährige Eisvögel, die möglicherweise im Edergebiet erbrütet worden sind.