24.07.2020 - Ein Paradies aus Menschenhand

Bei Wildgänsen, Enten und Reihern im Naturschutzgebiet Krautwiese

Von Wolfgang Lübcke
Giflitz. Wüsste man nicht, dass das Naturschutzgebiet (NSG) „Krautwiese am Wesebach“ bei Giflitz als Kiesbaggerteich entstanden ist, käme man nicht auf die Idee, dass es seine Entstehung einem Landschaftseingriff verdankt. So natürlich wirkt das Gebiet auf Besucher.

Eine Rohrammer. (Foto: Bastian Meise)

Sehr naturnah präsentiert sich das ehemalige Kiesabbaugebiet (Foto: Wolfgang Lübcke)

Der besondere Charakter des NSG hängt mit seiner Entstehungsgeschichte zusammen. Vor seiner Ausweisung war es von 1990 bis 2002 Regenerationsgebiet nach dem Hessischen Naturschutzgesetz. So konnte die Teichlandschaft bereits während des Kiesabbaus im Sinne als künftiger Lebensraum für Tiere und Pflanzen gestaltet werden. Alle Teiche wurden miteinander verbunden, sodass ein Austausch der in den Teilbereichen lebenden Tiere möglich ist. Die Ufer wurden buchtenreich und flach angelegt. Vier Inseln unterschiedlicher Höhe lockern die Wasserfläche auf und schaffen zusätzliche Uferzonen.
Eine flache Insel wird bei hohen Wasserständen überflutet und auf diese Weise hier unerwünschter Gehölzaufwuchs vermieden. Der südöstliche Gebietsteil – durch einen Gehölzriegel vom übrigen Gebiet getrennt – wurde als Flachwasserteich gestaltet und mit Schilf bepflanzt. Dieses wurde an den Kelzer Teichen bei Hofgeismar gewonnen, da es sich nicht ohne weiteres von selbst ansiedelt. Es handelt sich um die einzige Fläche im Kreisgebiet, auf der Schilf im Wasser steht. Einen solchen Lebensraum benötigt der seltene Drosselrohrsänger als Brutplatz, der hier schon nachgewiesen wurde. In den zurückliegenden Jahren hat die Bedeutung der „Krautwiese“ für eine arten- und individuenreiche Vogelwelt deutlich zugenommen. Bisher wurden hier 165 Vogelarten nachgewiesen, davon 40 als Brutvögel, zum Beispiel Hauben- und Zwergtaucher, Höckerschwan, Grau- und Nilgans sowie Teich- und Blässhuhn.
Im Schilfgebiet brüten regelmäßig Rohrammer und Teichrohrsänger. Eine wichtige Bedeutung hat die „Krautwiese“ auch als Überwinterungs- und Rastgebiet verschiedener Wasservogelarten wie zum Beispiel Gänsesäger, Reiherenten, Krickenten, Pfeifenten und Schnatterenten. Der in der Nähe brütende Eisvogel jagt hier nach kleinen Fischchen. Die besondere ornithologische Wertigkeit des Gebietes wird auch dadurch deutlich, dass hier alle fünf bisher in Waldeck-Frankenberg nachgewiesenen Reiherarten nachgewiesen werden konnten, neben dem heimischen Graureiher sind dies Purpurreiher, Silberreiher, Seidenreiher und Nachtreiher. Eine herausragende Bedeutung hat die “Krautwiese“ auch als Schlafplatz für verschieden Vogelarten, zum Beispiel Stare, Wacholderdrosseln, Hohltauben und in jüngster Zeit auch für Silberreiher.
Nach der Flugrichtung zu urteilen, nutzen auch Hohltauben, die im Nationalpark brüten, den Schlafplatz. Andere Artengruppen bereichern die Vielfalt des Gebietes: Unter den Amphibien sind das Wasserfrösche, Laubfrösche und Erdkröten sowie Teich- und Bergmolche.  Insbesondere für die Laubfrösche wurde 2019 ein Flachwasserteich geschaffen. Die Reptilien sind mit Ringelnatter und Zauneidechse vertreten. Bisher wurden 19 Libellenarten nachgewiesen und am Ufer findet man Schalen der Teichmuschel. Neuerdings sind auch Fraßspuren von Bibern festzustellen. Zum NSG gehört auch eine magere Mähwiese, deren bunte Blühaspekte sich im Laufe von Frühling und Sommer wandeln. Am Rande der Wiese wurde auf einem ehemaligen Strommasten ein zusätzliches Nistangebot für die Edertaler Störche – sozusagen als Reserve –  geschaffen. Auch ein Starenhaus mit 24 Wohnplätzen wurde hier aufgestellt.

AUSFLUGSTIPP: Vom Edertaler Storchenhorst entlang des Eder-Radwegs bis zur Schoof-Eiche sind es etwa 300 m. Dort zweigt linkerhand ein Pfädchen ab zu einer Beobachtungswand, die einen guten Blick auf die „Krautwiese“ bietet. Ein paar Schritte weiter auf dem Radweg in Richtung Mehlen biegt man dann auf einen Feldweg links ab. Nach etwa 100 m führt links am NSG-Schild ein Pfad in das NSG. Im Schutz eines Erlensaums blickt man durch eine kleine Lücke darin auf das Gewässer und insbesondere die flache, zeitweise überflutete Insel, wo gern Wasser- und Watvögel (Limikolen) rasten.