Von Wolfgang Lübcke
Edertal. Die meisten Waldecker Städte und Dörfer müssen Ortsspott ertragen, sind aber oft auch stolz auf die aus Neckereien entstandenen Namen. Viele Bezeichnungen gehen auf Charakteristika der Natur zurück, so auch in Edertal.
Ludwig Bing hat die Ortsspottnamen gesammelt, erforscht und in seinem Buch „Waldecker Ortsspott“ (1986) veröffentlicht. Weithin im Waldecker Land bekannt sind die Anraffer Reelinge. Als Reelinge werden die Frösche bezeichnet. Warum haben die Quaker den Anraffern zu ihrem Namen verholfen? Das kam so: Bis Mitte des 19. Jahrhunderts floss die Eder in einem großen Bogen unmittelbar am Dorfrand vorbei. Nachdem das heutige Flussbett gegraben worden war, wurde die alte Eder durch Querdämme geteilt. Das warme, flache Wasser entwickelte sich nicht nur zu einem Eldorado für Mücken, das die Eder-Malaria verursachte, sondern auch zu einem idealen Lebensraum für die Laubfrösche, deren Räp-räp-räp-Konzerte an warmen Sommerabenden kilometerweit durch das Edertal hallte. Laubfrösche gibt es heute bei Anraff leider nicht mehr, aber die Anraffer sind seit eh und je stolz auf ihren ursprünglich spöttisch gemeinten Namen. Reeling zu sein, das ist Ausdruck der Verbundenheit mit dem Dorf, in dem man aufgewachsen ist: Liebe zur Heimat, viele schöne Erinnerungen, Naturverbundenheit. Die Anraffer haben sogar ein Reelingslied und es gibt im Dorf die Sage von dem goldenen Frosch im Kirchborn.
Von den Graureihern (früher auch als Fischreiher bezeichnet) ist der Name Bringhäuser Rahnerte abgeleitet. Woher der Name kommt, ist ungeklärt, denn die Bringhäuser nennen die Reiher „Räijerte“ und auch ihre Nachbarn haben andere Mundartbezeichnungen: Die Hemfurther sagen „Feschregger“ oder kurz “Regger“ und die Basdorfer „Fischrijger“. Eine Graureiher-Kolonie existierte früher auf dem Arensberg zwischen Bringhausen und Asel, im heutigen Nationalpark. Das war der Grund, warum diese Bergkuppe 1973 unter Naturschutz gestellt worden war. Die Kolonie verwaiste jedoch.
Die Giflitzer Biebitze haben den früher rund um das Dorf verbreiteten Vogel als Symbol für ihre Kirmes gewählt. Welchen Bezug haben die Giflitzer zu dem Vogel mit seiner charakteristischen Federhaube als Kopfschmuck? Früher war das Dorf von drei Sumpfgebieten umgeben, dem Bruchfeld in Richtung Anraff dem Mörsch (= Sumpf) am Ortsrand Richtung Mehlen und den heute noch zum Teil feuchten Wiesen im Wesetal an der Grundmühle in Richtung Kleinern, wo auch Ende der 1980er Jahre die letzten Bruten des kreisweit ausgestorbenen Vogels stattfanden. Kiebitze kommen heute in Waldeck-Frankenberg nur noch während des Durchzugs vor.
(Startseitenfoto: Ein Laubfrosch, fotografiert von Jens Freitag)