Von Wolfgang Lübcke
Edertal. Der Neuntöter, auch Rotrückiger Würger genannt, gilt als Leitart einer strukturreichen bäuerlichen Kulturlandschaft mit heckenreichem Grünland, insbesondere Viehweiden. Wo er vorkommt, finden auch andere Heckenbrüter wie zum Beispiel Goldammer und Dorngrasmücke einen guten Lebensraum.
Kreisweit hat er nach dem Kenntnisstand der heimischen Ornithologen (Vogelkundler) seine größte Siedlungsdichte in der Gemeinde Edertal zwischen Bergheim und Königshagen. Dort wird auf einer zehn Quadratkilometer großen Probefläche seit 14 Jahren der Brutbestand erhoben. In diesem Jahr wurden 31 Neuntöter-Reviere gezählt, meist an langjährigen bekannten Plätzen. Mit natürlichen kleinen Schwankungen ist der Bestand gleichbleibend. Das spricht für die naturschutzfachliche Qualität des Untersuchungsgebietes. Wer den Vogel kennenlernen möchte, dem sei eine Wanderung von Bergheim nach Königshagen empfohlen. Die richtige Jahreszeit ist von Mai bis August denn der Neuntöter ist ein Langstreckenzieher der im tropischen Afrka überwintert und nur für höchstens vier Monate zu uns kommt, um seine Brut aufzuziehen.
Vom Bergheimer Festplatz aus führt der etwa 4 Kilometer lange Weg, zunächst ein Stück entlang der Wellener Straße, nach etwa 300 m links ab, zunächst bergauf und dann durch das idyllische Mölcherbach-Tal, auch Grund genannt. Die Route ist auch als Radweg nach Königshagen ausgeschildert. Rechterhand am Wald fällt der Blick auf zwei ehemalige Mühlen, die Hepe-Mühle und die Grundmühle. Am östlichen Ortsrand von Königshagen lockt am Wochenende die „Kleine Hirtenstube“ zur Einkehr, sonntags selbst gebackener Kuchen. Unterwegs suchen wir mit dem Fernglas Heckenspitzen und Zaunpfähle ab, die der Neuntöter gern als Ansitzwarte zum Überblicken seines Brutreviers nutzt und die ihm zugleich als Startpunkt für die Ansitzjagd auf Insekten und kleine Mäuse dienen. Mit etwas Glück entdecken wir das eine oder andere auffällig gefärbte Neuntöter-Männchen. Dieses gehört zu den schönsten Vertretern unserer heimischen Vogelwelt mit seinem rotbraunen Rücken, der hellrosa überflogenen Unterseite und dem blaugrauen Kopf mit schwarzer Augenmaske. Der Schnabel ähnelt dem eines Greifvogels, so dass der Neuntöter damit zum Beispiel eine Maus zerlegen kann.
HINTERGRUND: Der martialisch klingende Name Neuntöter geht auf den irrigen Volksglauben zurück, dass der Vogel erst neun Beutetiere aufspieße, ehe er sie frisst. Das stimmt natürlich nicht, aber das Aufspießen von größeren Insekten wie Käfer oder Hummeln sowie kleinen Mäusen auf Dornen oder an Stacheldraht ist eine nützliche Verhaltensweise des Neuntöters. Er legt damit sozusagen eine Vorratskammer an und sichert mit ihr seinen Jungen das Überleben bei längeren Regenperioden, wenn keine Insekten fliegen und Mäuse im nassen Gras schwer zu erbeuten sind.