Hemfurth-Edersee. Einen neuen Stall samt Gehege für die Wisente hat Oliver Conz, Staatssekretär des Hessischen Umweltministeriums, im WildtierPark Edersee eröffnet. Knapp 700.000 Euro hat das Projekt gekostet und ist somit die größte Investition in der Geschichte des WildtierParks. „Das ist ein weiterer wichtiger Schritt für die Modernisierung des Wildtierparks, der zu den bedeutenden Besucherattraktionen in der Nationalpark-Region zählt“, sagte Conz.
„Wir haben gerne den Umbau zu einem attraktiven Gehege unterstützt, denn es ist uns wichtig, dass sich die Tiere wohl fühlen und die Besucherinnen und Besucher sich so noch besser einen Eindruck von den beeindruckenden Wisenten machen können.“ Die ehemalige Anlage aus dem Jahr 1985 entsprach nicht mehr den aktuellen Anforderungen, weshalb ein Abriss und Neubau erforderlich war. Darin gab es zum Beispiel nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, Tiere zu separieren, was unter anderem Tierarztbehandlungen und Transporte erschwert hat. Diese Herausforderungen gehören künftig der Vergangenheit an. Wisente sind europäische Bisons, die noch bis ins frühe Mittelalter weit in Europa verbreitet, zwischenzeitlich allerdings in freier Wildbahn ausgerottet waren. „Es ist uns wichtig diese eindrucksvollen Tiere unseren WildtierPark-Besucherinnen und -Besuchern näher zu bringen und einen Beitrag zur Erhaltung der gefährdeten Art zu leisten“, erklärte Nationalparkleiter Manuel Schweiger bei der Eröffnung.
Im Jahr 2020 konnten zuletzt Wisente aus dem WildtierPark Edersee in den südrumänischen Karpaten ausgewildert werden. Der moderne Gehegekomplex, in dem neben den Wisenten auch die Sorraia-Pferde ihren Stall haben, ist binnen der knapp einjährigen Bauzeit entstanden. Im Oktober 2022 startete die Umsetzung des Projekts mit den Tiefbauarbeiten. Vor Weihnachten 2022 stand der Rohbau und das Dach war eingedeckt. Ab dem Frühjahr 2023 begannen die Metallbauer ihre Arbeit am Gehege. „Wir konnten unseren Zeitplan gut einhalten und sind mit dem Ergebnis vollends zufrieden. Die beteiligten Firmen haben ganze Arbeit geleistet“, lobte WildtierPark-Leiter Tobias Rönitz.
Hintergrund: Der Wisent oder Europäische Bison ist eine der beiden ursprünglich in ganz Europa vorkommenden Wildrinderarten. Während der Auerochse, die Wildform der meisten Rinderrassen, unwiederbringlich ausgerottet wurde, konnte der Wisent überleben. Wisente kamen noch bis in das frühe Mittelalter in den Urwäldern von West-, Zentral- und Südosteuropa vor. Ihr ursprünglicher Lebensraum sind die großen mitteleuropäischen Urwälder. Diese waren von offenen und halboffenen Weideflächen unterbrochen. Zu Beginn der ersten Rodungsphasen im Frühmittelalter zogen sich die Wisente deshalb vermutlich aus etlichen Gebieten West- und Mitteleuropas schrittweise zurück. Durch die Verfolgung als Jagdbeute oder als Konkurrenz zur Viehhaltung starben die verbliebenen Wisente aus. Um das Jahr 800 n. Chr. war der Wisent dann westlich des Rheins vermutlich ausgerottet. Circa 200 Jahre später auch westlich der Elbe und im Spätmittelalter (um das Jahr 1364) soll der letzte Wisent westlich der Weichsel erlegt worden sein. In Osteuropa und im Kaukasus hielten sie sich bis in die Neuzeit, bis sie dann schließlich in freier Wildbahn auch dort ausstarben und nur noch in Tiergärten und Zoos überlebten.
Am 25./26. August 1923 gründet sich die „Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents“. Durch die dadurch koordinierte Erhaltungszucht konnte der Bestand wieder auf rund 7.200 Tiere anwachsen. Mittlerweile lebt wieder circa drei Viertel der Population in freier Wildbahn – vor allem in Russland und Osteuropa – und ein Viertel in Zoos und Tierparken. Wisente sind Herdentiere, dem Lebensraum entsprechend aber nur in kleinen Gruppen anzutreffen. Typische Herden umfassen 12 bis 20 Tiere und bestehen aus Kühen und Jungtieren. Geschlechtsreife Bullen halten sich nur während der Brunftzeit bei den Herden auf. Sie sind wesentlich schwerer und größer als ausgewachsene Kühe: Mit vier Jahren bringen Bullen bereits 500 Kilogramm auf die Waage, während die Kühe bei durchschnittlich 400 Kilogramm liegen. Beide Geschlechter haben Hörner. Das Sehvermögen von Wisenten ist nicht sonderlich gut ausgeprägt, dagegen ist ihr Geruchssinn gut entwickelt. Indem sie den Fährten der Herdenmitglieder folgen, finden sie immer wieder zur Herde zurück. Wisente können verhältnismäßig schnell galoppieren und erreichen im Sprint bis zu 60 Kilometer pro Stunde. Sie können eine so hohe Geschwindigkeit jedoch nur über weniger als hundert Meter halten und müssen in der Regel anschließend schwer atmend pausieren. Typischer ist für sie ein langsames Gehen. Sie sind jedoch so wendig und geschickt, dass sie bis zu zwei Meter hohe Hindernisse und drei Meter breite Gräben überspringen können – erstaunlich für diese Schwergewichte.