Von Tobias Lübben/Quelle: hessenschau.de
Wiesbaden/Waldeck-Frankenberg. Das Ende der 28 Impfzentren in Hessen ist beschlossene Sache: Im September sollen dort die letzten Spritzen gesetzt werden. Die Zentren stehen schon länger in der Kritik, denn der Betrieb ist vergleichsweise teuer.
Per Mail haben die 28 Impfzentren in Hessen die Nachricht erhalten: In knapp vier Monaten ist Schluss. Das erklärte die „Taskforce Impfkoordination“ des Hessischen Innenministeriums am Dienstag: „Das Land Hessen hat nunmehr entschieden, dass ein Betrieb der Impfzentren über den 30. September hinaus nicht erfolgen wird.“ Die Kreise und kreisfreien Städte sollen sie bis spätestens dahin schließen und abbauen. Danach sollen nur noch die niedergelassenen Ärzte und Betriebsärzte impfen. Ende September laufen auch die Zuschüsse des Bundes für den Betrieb der Zentren aus.
Nie voll ausgelastet
Im Moment ist dort noch viel los – ob in der Frankfurter Festhalle, der Hessenhalle in Alsfeld oder in der Sporthalle Auepark in Kassel: Laut Innenministerium werden in den hessischen Impfzentren pro Tag insgesamt rund 25.000 Spritzen täglich gesetzt. Möglich wäre aber mehr als das Doppelte. Innenminister Peter Beuth (CDU) hatte die Maximalkapazität einst auf über 50.000 Impfungen pro Tag beziffert. Mangels Impfstoffs wurde diese Marke aber nie erreicht, 34.000 Spritzen waren der Höchstwert Anfang Mai. Inzwischen wäre zwar genug Impfstoff da, um die Zentren voll auszulasten. Aber das Bundesgesundheitsministerium setzt andere Schwerpunkte: Den Großteil des Impfstoffs, fast zwei Drittel, lässt es mittlerweile an niedergelassene Ärzte und Betriebsärzte liefern. Entsprechend bekommen mehr Menschen den Pieks in den Praxen als in den Zentren. So sei es auch von Anfang an gedacht gewesen, heißt es im Schreiben an die Impfzentren: „Das Ziel war und ist eine Regelversorgung durch die Ärzteschaft.“
Schleppender Start nach eiligem „Impfbefehl“
Angefangen hatte alles mit einem „Einsatzbefehl“ der Landesregierung an alle Landkreise und kreisfreien Städte Ende vergangenen Jahres. Sie sollten innerhalb kürzester Zeit, bis Mitte Dezember, Impfzentren aufbauen. Im Befehl war alles minutiös vorgegeben, bis hin zur Kapazität: insgesamt 30.000 Impfungen pro Tag und Zentrum sollten möglich sein. Kreise und Städte setzten den Befehl um, bauten Impfstraßen auf, schafften Super-Kühlschränke an, um den Impfstoff lagern zu können. Am 14. Dezember meldeten sie sich einsatzbereit. Allein: Es fehlte der Impfstoff. Die ersten 10.000 Impfdosen bekam Hessen dann am zweiten Weihnachtsfeiertag geliefert. Doch für den Betrieb der Zentren reichte das nicht, alles wurde von mobilen Impfteams verimpft, in Altenheimen und Krankenhäusern. Erst am 19. Januar gingen zumindest sechs der 28 Zentren in Betrieb, drei Wochen später öffneten dann auch die übrigen 22. Zwei Monate lang führte an ihnen kein Weg vorbei, wenn’s ums Impfen ging. Auch deshalb, weil nur sie den empfindlichen Impfstoff von Biontech/Pfizer lagern konnten.
Kostenpunkt: 640 Millionen Euro
Nach Ostern änderte sich alles: Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hatte die Lagerung bei Kühlschranktemperatur erlaubt, und die Hausärzte stiegen mit ein. Die Zahl der Impfungen schnellte in die Höhe, die Kassenärztliche Vereinigung (KV) sprach stolz vom „Impfturbo“. Der KV waren die Zentren schon lange an Dorn im Auge. Sie würden „überflüssigerweise“ betrieben, erklärte etwa der Chef der KV Hessen, Frank Dastych, und wetterte gegen „gewisse, an ihren Impfzentren klebende Landesregierungen“. Nun hat die Landesregierung ihren Rückzug aus dem Impfbetrieb angekündigt. Eine maßgebliche Rolle dürfte dabei die Tatsache spielen, dass der Bund die Impfzentren nur bis Ende September bezuschusst. Das Hessische Innenministerium beziffert die Betriebskosten für die 28 Zentren auf 50,4 Millionen Euro pro Monat. Zusammen mit den Ausgaben etwa für die Terminvergabeplattform und die Hotline kommen demnach am Ende wohl rund 640 Millionen Euro zusammen. Die Hälfte davon übernimmt der Bund. Eine Spritze im Impfzentrum hat damit ein Vielfaches von dem gekostet, was niedergelassene Ärzte abrechnen. Das hat das Innenministerium auch stets eingeräumt. Die Regierung betont aber auch im Rundschreiben, die Impfzentren seien „nach wie vor unverzichtbar, um sicherzustellen, dass verfügbare Impfdosen auch schnellstmöglich eingesetzt werden können“. Und in jedem Fall sollen die Zentren garantieren, dass jeder, der dort die Erstimpfung bekommen hat, bis Ende September auch noch die Zweitimpfung erhält.
(Startseitenfoto: Wilfried Pohnke auf Pixabay)