Von Wolfgang Lübcke
Edertal. Mit ihrer Farbenpracht und ihrem Formenreichtum gelten die Orchideen als die faszinierendste Pflanzenfamilie unserer heimischen Flora. Zwar sind ihre Blüten nicht so groß wie die der tropischen Arten, die man in Gärtnereien kaufen kann, aber Nahaufnahmen unserer wildlebenden Orchideen zeigen ihre ebenbürtige Schönheit.
In Edertal wurden in den letzten Jahren elf Arten nachgewiesen. Somit gehört Edertal zu den Gemeinden im Kreis Waldeck-Frankenberg mit einer besonders vielfältigen Orchideenflora. Die Hauptblütezeit der meisten Arten sind die Monate Mai und Juni. Aus Schutzgründen können zu den Standorten keine genauen Angaben gemacht werden, denn leider kommt es immer wieder vor, dass Orchideen ausgegraben werden. Das schadet nicht nur den nach der Bundesartenschutzverordnung streng geschützten Arten, es ist auch nutzlos, weil die Orchideen zum Gedeihen auf Wurzelpilze angewiesen sind, mit denen sie in Symbiose leben, also zu beiderseitigem Nutzen. Die Hauptgefährdung der meist seltenen Arten ist aber der Verlust der Lebensräume. Dieser kann sowohl durch Nutzungsintensivierung als auch durch Nutzungsaufgabe geschehen.
Die häufigste Edertaler Orchideenart ist das Dreizähnige Knabenkraut. Hier finden sich die am besten besetzten Vorkommen im Kreis Waldeck-Frankenberg. In günstigen Jahren kommen in Edertal über 1000 Exemplare zur Blüte. Auch aus pflanzengeografischer Sicht ist diese Art eine Besonderheit. Es handelt sich eigentlich um eine mediterrane Art, die in Mitteleuropa nur inselartig mit Schwerpunkten in Nordhessen und Thüringen vorkommt, so auf kalkhaltigen Böden unseres Kreises, der an der westlichen Verbreitungsgrenze dieser Art liegt. Nur an einem einzigen Standort kommt in der Gemeinde das Purpur-Knabenkraut vor, die prächtigste unter den Edertaler Orchideen. Die wärmeliebende Halbschattenpflanze hat sich dank Pflegemaßnahmen gut vermehrt. Während in dem 1996 erschienenen, leider vergriffenen Buch „Pflanzenwelt zwischen Eder und Diemel“ 30 bis 40 Exemplare angegeben werden, konnten 2020 etwa 140 gezählt werden.
Eine interessante Bestäubung bietet die Fliegen-Ragwurz, die auf sonnigen Kalkböden wächst. Ihre Blütenform ähnelt einem Insekt. Dadurch werden zum Beispiel Grabwespen-Männchen angelockt, die auf der Suche nach einem Weibchen sind. Sie lassen sich durch die Blütenform der Fliegen-Ragwurz täuschen und so kommt es zur Bestäubung. Die nah verwandte Bienen-Ragwurz hingegen wird nur selten von Insekten bestäubt, in der Regel erfolgt das durch Selbstbestäubung. Das Breitblättrige Knabenkraut wächst auf Feuchtwiesen. Diese bedürfen aber der regelmäßigen Pflege. Das zeigt die Erfahrung des NABU Edertal. Nachdem eine brachliegende Wiese von ehrenamtlich anpackenden Helfern gemäht worden war, explodierte geradezu die Individuenzahl dieser Orchidee, die zuvor nur noch in einzelnen Exemplaren zur Blüte kam. Dass die Zahl der blühenden Pflanzen von Jahr zu Jahr stark wechseln kann, zeigt das Beispiel des Weißen Waldvögleins. In einem Jahr wurde es in großer Zahl gefunden, in den Folgejahren nur vereinzelt, ohne dass sich der Standort verändert hätte. Seine weit geöffneten Blüten erinnern mit etwas Fantasie an einen fliegenden Vogel, daher der Name Waldvöglein. Ein „Bleichgesicht“ unter den heimischen Orchideen ist die Vogel-Nestwurz. Die gelblich-braune Pflanze hat kein Blattgrün; als Vollschmarotzer parasitiert sie auf einem Pilz, der zum Beispiel an Buchen vorkommt. Ihren eigenartigen Namen verdankt diese Orchidee der vogelnestartigen Form ihres Wurzelstocks. Weitere in jüngerer Zeit in Edertal nachgewiesene Orchideen sind das Gefleckte Knabenkraut, die Rotbraune Stendelwurz, das Große Zweiblatt und das Mannsknabenkraut.